Abstract (german) | Dieser Aufsatz versucht, die Tendenzen der zeitgenössischen Ethisierung in verschiedenen Bereichen des Lebens, von der Wirtschaft und Technik bis hin zur Wissenschaft und Politik, unter besonderer Berücksichtigung der Rechtsdomäne, zu beleuchten. Die Schlüsselfrage lautet: Wie verhält sich die heutige massiv angewachsene Ethisierung der Lebenswelt zum Grundsatz der Trennung von Legalität und Moralität sowie zum rechtsstaatlichen Postulat des Rechts als des Minimums der Moral in der Gesellschaft? Als Rahmen für die Untersuchung dient die Aufteilung des Naturrechts in honestum, decorum und iustum bei Thomasius, ferner Kants Dichotomie der metaphysischen Anfangsgründe der Rechts- und Tugendlehre in der Metaphysik der Sitten, wo als Höhepunkt die aufklärerische Forderung nach einer strengen Scheidung der Sphäre der Legalität von der Moralität untermauert wurde. Es wird die Frage erörtert, ob zeitgenössische Ethisierungstendenzen das aufklärerische Erbe der Verteidigung der Menschenrechte untergraben. Ausgehend von diesem dichotomischen Modell wird erörtert, welche Auswirkungen die jüngere Ausweitung der Ethik im Berufsleben, in Medizin, Wissenschaft, Geschäftsbeziehungen sowie sonstige Formen der Ethik, ferner die massiven Gründungen von Ethikkommissionen, die politische Korrektheit und die öffentliche Meinungsbildung auf den Rahmen der menschlichen Grundfreiheiten haben. Zur Veranschaulichung werden zwei Fallbeispiele aus Kroatien angeführt: die normativen Mängel eines Ethikkodexes und der Missbrauch eines ethischen Gremiums zu politischen Zwecken. Abschließend wird festgestellt, dass die zeitgenössische Ethisierung gute Früchte tragen kann, sofern sie die Rechtsfragen und den Rechtsschutz fördert. Aber sie darf dabei nicht die Grenzen überschreiten und den Rechtsstaat untergraben. Die Trennung von Moral und Recht ist ein wichtiges Erbe des demokratischen Rechtsstaates. Die ungezügelte und extensive Ethisierung verschiedener Sphären kann indessen für die gute Ordnung und das Wohlleben in der heutzutage immer ausgeprägteren pluralistischen und multikulturellen Gesellschaft verheerend sein. Daher mögen lieber unparteiische Richter und unabhängige Gerichtshöfe nach den in vielen Jahrhunderten errungenen und bewährten Maßstäben der Gerechtigkeit urteilen ; sie tun dies gerechter, als es provisorische Ethikkomitees und ad hoc ernannte Beauftrage je tun würden. Die Ethik mag sich weiter mit dem inneren Bereich des Handelns und den Maximen befassen. Die ethischen Maximen sind aber dem äußeren Zwang nicht immer verpflichtet. Von dieser wesentlichen Unterscheidung, die jede Gesellschaft sorgfältig bestimmen und reglementieren sollte, hängt die Verwirklichung der Menschenfreiheit in ihrer Fülle ab. |